In meinem ersten Kinderzimmer war die Wand gegenüber meinem Bett mit einer Rennauto-Tapete beklebt. Wenn es dunkel wurde, erwachte die Tapete zum Leben, bekam Augen, Münder, teils gefährlich dreinblickende Fratzen. Über die bedrohlichsten Stellen habe ich dann selbstgemalte Bilder gehängt. Aber die Angst vor den Tapetenmonstern ging nicht weg.
Unsere frühen Vorfahren hatten einen evolutionären Vorteil, wenn sie selbst dort Gefahren sahen, wo objektiv keine vorhanden waren. Vielleicht gab es auch Individuen, die etwas skeptischer waren und zunächst genau untersuchen wollten, ob der Schatten im Gebüsch ein Felsen oder ein Raubtier ist. Von denen stammen wir höchstwahrscheinlich nicht ab.
Unser Gehirn ist eine Bedeutungssuchmaschine. Ständig versuchen wir, Sinn und Zusammenhänge in all den sensorischen Eindrücken zu erkennen, die auf uns einprasseln. Das kann harmlos und schön sein, wie die nette Beschäftigung, im Gras liegend Figuren in Wolkenformationen zu erkennen. Aber eine übermotivierte Mustererkennung kann auch Ängste auslösen, Fehlentscheidungen triggern oder zur Entstehung von Verschwörungstheorien beitragen.
Der allgemeine Fachbegriff für das Phänomen, dort Muster zu erkennen, wo es keine oder nur zufällige Zusammenhänge gibt, ist Apophänie. Dabei geht es nicht nur um optische Eindrücke. Wir neigen dazu, etwa in Zahlenreihen bestimmte Muster zu suchen und zu erkennen oder völlig unzusammenhängende Ereignisse mit einer Bedeutung aufzuladen. Diesen Wahrnehmungen können wir uns nicht vollständig entziehen. Wissen wir aber darüber Bescheid, hilft uns das, die Ergebnisse besser zu bewerten und Zufall als solchen zu erkennen.
Die Pareidolie dagegen lässt sich sogar willentlich steuern. Wir können einen scheinbar unförmigen Fleck auf der Straße so lange anschauen, bis unsere Fantasie daraus ein Geschöpf entstehen lässt. Die Künstlerin krajamine (@krajamine@norden.social auf Mastodon) zeigt das eindrucksvoll in ihren Werken unter dem Hashtag #pareidoodle:
Ganzen Beitrag lesen
Kategorie: Kritisches Denken
Themen: Apophänie, Marsgesicht, Mustererkennung, Pareidolie, Wahrnehmung